Blasrohr-Schießen. Schneller Einstieg. Suchtgefahr.

Gastbeitrag von Alexander Glück

Es gibt extrem viele Menschen, die sich einem Schießsport zuwenden, der mit der Übertechnisierung und Präzision der Feuerwaffen nichts zu tun hat. Diese Menschen suchen nicht die Verbesserung im Millimeterbereich, sondern eine Art des Schießens, die aus der Körperkraft schöpft und in diesem Bereich nach Präzision strebt. Das klassische Beispiel ist das Bogenschießen: ein sehr anspruchsvoller Konzentrations- und Anspannungssport, der sehr viel mit der mentalen Qualität des Sportlers zu tun hat. Auch wenn dabei sehr viel vom Sportgerät abhängt, wollen diese Leute keine „Black Box“, die irgendetwas tut, wenn man einen Knopf drückt (Gewehr). Sie wollen den Schuss sozusagen selbst erschaffen und sich darin immer weiter verbessern.

Eine sehr ähnliche Betätigung bietet das Blasrohr. Es gehört wie der Bogen zu den ältesten Jagdwaffen. Bei ihm wird der Pfeil nicht durch die Kraft der Arme beschleunigt, sondern durch den Atem, was geradezu philosophische Vergleiche herausfordert (wenn man will). Den eigenen Atem als Pfeil ins Ziel zu schleudern, grenzt an die Möglichkeiten der antiken Götterwelt. Und wenn man sich lieber als Indio fühlen will, der mit dem Schuss Eroberer abwehrt oder das Essen erlegt – so geht auch das. In jedem Fall ist das Schießen mit einem Blasrohr eine erstaunliche Erfahrung, die unmittelbar aufs Selbstbild zurückschlägt.

Nicht nur die Konzentration wird durch diesen Sport gefördert, auch die Augen (und zwar beide) und die Lungenfunktion werden aktiv gestärkt. Ähnlich wie beim Bogenschießen erlernen wir gutes Timing zwischen Anspannung und Zielen. Der Hauptunterschied liegt wohl darin, dass man mit dem Bogen in der Hand die Sehne loslässt, die angespannte Kraft also freigibt, während man im Augenblick des Blasrohrschusses die Kraft aufbringt und verdichtet. Ein weiterer wesentlicher Unterschied liegt darin, dass man ein professionelles Blasrohr zum Bruchteil dessen kaufen kann, was ein hochwertiger Sportbogen kostet.

Tim Wells Signature Series „Slockmaster“ von Cold Steel

Ein solches Blasrohr wird unter dem Namen Tim Wells Signature Series „Slockmaster“ von Cold Steel vertrieben, und zwar als Flaggschiff eines ganzen Programmsegments mit Blasrohren unterschiedlicher Länge und Bauart. Tim Wells hat sich als Jäger mit primitiven Waffen einen Namen gemacht. Seine Fertigkeiten führt er beispielsweise auf Youtube vor. (Hierbei sollte man allerdings beachten, dass das Jagen mit dem Blasrohr in Deutschland und auch in vielen Nachbarländern nicht erlaubt ist.)

Dieser Tim Wells hat für das nach ihm benannte Blasrohr die Spezifikationen festgelegt, und damit wurde wohl so ziemlich das beste Gerät dieser Art entwickelt. Anders gesagt: Wenn man damit nicht trifft, liegt es zumindest nicht am Blasrohr. Der Rest ist unspektakulär: Kaliber .625, das ist ein Innendurchmesser von 1,6 cm, und fünf Fuß Länge, zusammenlegbar. Im Auslieferungszustand sind die Rohrstücke absolut gerade, die Gewinde gehen kompakt ineinander. Wer das Schraubgefühl verbessern will, kann ein wenig Silikonfett verwenden. Ist das Blasrohr zusammengesetzt, sollte man es nach allgemeiner Auffassung nicht in die Ecke stellen, weil es dort über die Jahre krumm werden könnte. Ideal ist die hängende Aufbewahrung, eine Halterung ist aus einem Stück Draht schnell gemacht.

Pfeile und Zubehör für das Blasrohr

Ausgeliefert wird das Gerät mit verschiedenen Pfeilen aus Metall. Die etwas martialisch wirkenden „Razor Blade“-Pfeile stehen denen mit den kleineren Spitzen hinsichtlich ihres Flugverhaltens und ihrer Stabilität etwas nach. Sie sind geeignet, schwere Verletzungen zu verursachen. Bei großen Stroh-Zielscheiben können sie die Schnüre durchtrennen, mit denen sie zusammengebunden sind. Im sportlichen Einsatz wird man sie eher im Kästchen lassen, es sei denn, man schießt auf XPS- oder Heraklitplatten. Die nadelspitzen, unauffällig kurzen Pfeile eignen sich für alle Anwendungen als Standardmunition. Außerdem gibt es lange Bambuspfeile und kleine Stöpselpfeile, die etwa die Wirkung eines Kugelgeschosses haben.

Das Blasrohr ist mit zwei Griffen ausgestattet, mit denen man es bequem und sicher halten kann. Überdies verfügt es über eine Halterung für zwölf Pfeile. Wünschenswert wäre ein Reinigungsstab, den man sich aber auch leicht selbst beschaffen kann.

Anwendung des Blasrohrs

Die Verwendung des Blasrohrs erlernt man sehr schnell rein intuitiv, allerdings gibt es im Internet auch interessante Anleitungen dazu. Wichtig ist das Visieren mit beiden Augen. Dabei sieht man die Rohrspitze doppelt und muss das Ziel sozusagen zwischen die beiden Rohre nehmen. Die richtige Atemtechnik ist erst einmal zu suchen, stellt sich aber nach und nach ein. Besonders beeindruckend ist die enorme Schusskraft, mit der die Pfeile ins Ziel getrieben werden: Die Nägel stecken teilweise so fest in der Platte, dass man sie nur mit einer Zange wieder herausbekommt. Meine Lieblingskombination besteht deshalb aus den Bambuspfeilen und der dicken Strohscheibe. Die Pfeile dringen dort mit Leichtigkeit etliche Zentimeter tief ein und können anschließend leicht wieder herausgezogen werden.

Handhabung und Verarbeitung

Für dieses Blasrohr von Cold Steel spricht, dass es mit seiner Wandstärke von 1,6 mm relativ leicht, dabei aber äußerst stabil ist. Länge und Durchmesser stehen zueinander im idealen Verhältnis. Die Zerlegbarkeit des Geräts sorgt dafür, dass man es auch unterwegs dabei hat, beispielsweise wenn man „Plinking“ schießt, also auf ein Ziel im freien Feld. Hierfür kann man eine Zielscheibe aufstellen oder sich einfach einen geeigneten Baum suchen.

Die Verarbeitung dieses Modells ist hervorragend, vor allem die dunkelgrün eloxierte Oberfläche macht einen sehr guten Eindruck. An den Kunststoffteilen sieht man vereinzelt Gussgrate, diese lassen sich jedoch relativ leicht entfernen.